Rezensionen

»Ein frisches Album«

Keinen Klon von Pavarotti und seinen Homeys gilt es hier zu besprechen, sondern ein ganz und gar jazzdurchtränktes Album der drei Klarinetten-Schwergewichte Buddy DeFranco, Rolf Kühn und Eddie Daniels. Der hölzerne Vorläufer des Sopransaxofons gilt ja seit Glenn Miller & Co. in Fachkreisen oft genug als jazzpolitisch inkorrekt, doch das vorliegende Album ist definitiv ein Beitrag zur Bewältigung der dunklen Vergangenheit des geschmähten Instruments mit dem - seien wir doch mal ehrlich - wundervoll weichen Ton. Die modern und intelligent arrangierten Stücke(darunter einige Standards und einige Kornpositionen von Kühn, Daniels und DeFranco)präsentieren die drei Solisten in unterschiedlicher Konstellationen, getragen von einer druckvoll agierenden hr Big Band. In solistischer wie in kompositorischer Hinsicht brilliert Eddie Daniels als Primus Inter Pares: Wer sich selbst überzeugen will, möge sich etwa die zart schmelzenden Themen und die atemberaubenden Uptempo-Solo-Phrasen in seiner Ballade »We'll Always Be Together« anhören. Beide Beine in der Tradition, den Kopf im Hier und Jetzt - ein frisches Album auch für die Kollegen, die mit der Klarinette bislang eher »Lampenfuß« als moderne Jazzmusik assoziierten.

fva, Jazzthing 4-5/01

 

»Sehr gekonnte europäische Big-Band-Musik mit starker amerikanischer Prägung«

Zwei amerikanische Klarinetten-Generationen und 1 x Europa = drei Freunde in gemeinsamer Sache mit kleinen musikalischen Unterschieden und Big Sand: So könnte man die neue Produktion der Big Band des Hessischen Rundfunks unter der Leitung von Kurt Bong, dem langjährigen musikalischen Leiter, seit Anfang 2000 im offiziellen Ruhestand, definieren.

Auch die Anleihe an die drei Herren mit der gewaltigen Stimme, nebst gewaltigen Honoraren, sei erlaubt bei drei »Giganten« des Jazz, mit sicherlich nicht annähernd so gewaltigen Honoraren, aber um so größeren Verdiensten um die Musik unserer Zeit. Angst davor, die drei nicht unterscheiden zu können beim Hören der Aufnahme, braucht man auch nicht zu haben. Denn beim aufmerksamen Hinhören fällt schon auf, dass Buddy DeFranco, der Benny Goodman in der Bedeutung als Klarinettist in der ersten Generation des modernen Jazz ablöste, noch stark geprägt ist vorn Klang der 40er und 50er Jahre. Eddie Daniels dagegen ist voller Virtuosität mit einem irgendwie nach innen zeigenden Ton, vielleicht ähnlich wie Tony Scott, Exponent einer neuen Art, Klarinette zu spielen, wenn auch immer noch ziemlich klassisch, schließlich hat er an der berühmten Klassik-Schmiede, der Juilliard School gelernt.

Rolf Kühn, der Europäer, der seine großen Erfolge gerade in den USA in Konkurrenz zu den DeFrancos in seinem musikalischen Leben verbuchen kannte, zeigt eine große musikalische Breite, was ihm sein kräftiger, ausdrucksstarker Ton leicht macht, ist er doch der Musiker mit der größten Nähe zur Avantgarde unter den Dreien. Nachdem sie sich mit vier eigenen Titeln oder wenigstens Arrangements persönlich vorgestellt haben, mit eingeschobenen, präzisen Klarinettensätzen, präsentieren sie sich mit »Just friends« als Freunde mit gleichem Anliegen, aber durchaus unterschiedlichem Ausgangspunkt. Großartig, wie sie dann zu Ehren von Dizzy Gillespie dessen »Groovin' high« intonieren, ähnlich auch mit derselben tiefen Verbeugung vor dem zweiten Helden der klassischen Moderne des Jazz, Charlie Parker, mit dessen »Scrapple from the Apple«. Sehr einfühlsam auch Kühns »Lover man«, bis dann alle drei wieder gemeinsam den Auftritt mit »To the point« auf den berühmten Punkt bringen.

Die hr Big Band ist dieses Mal nur Hintergrund, von einem Soloauftritt des Pianisten Claes Crona bei »Too trite« abgesehen, aber ein wohlklingender Hintergrund, der dem Ganzen den notwendigen Rahmen verleiht. Dazu gehören auch die Arrarigernents - neben denen der Solisten - von Manfred Honetschläger, Posaunist der Band, Torsten Maaß, Dietmar Mensinger und Jörg Achim Keller, dem neuen Leiter der Band. Ein schönes Beispiel nicht zu moderner, aber sehr gekonnter europäischer Big-Band-Musik mit starker amerikanischer Prägung.

Hans-Jürgen von Osterhausen, Jazz Podium 5/01